„Also ehrlich, ich glaub, mein Körper hat ein Eigenleben entwickelt“, stöhnte Katrin, als sie mit einer dramatischen Geste auf die Parkbank fiel. „Gestern wollte ich zum Yoga – heute macht mein rechtes Bein ‚Windows-Update‘. Seit Stunden. Ohne Fortschrittsbalken.“

Svenja prustete los. „Na immerhin! Meins hat sich neulich mitten im Büro in den Energiesparmodus geschaltet. Chef stand daneben. Ich meinte nur: ‚Keine Sorge, Akku wird geladen.‘“

Neben ihnen grinste Tom, der seinen Gehstock stolz wie ein Schwert trug. „Ihr seid süß. Meins macht gleich ganze Systemabstürze. Letztens beim Date – Hand gezittert, Glas umgekippt, Wein übern Tisch. Ich hab nur gesagt: ‚MS steht übrigens auch für Multitasking-Scheitern.‘ Das Eis war gebrochen. Wortwörtlich.“

Sie lachten. Laut. Befreiend. Ein bisschen schräg – so, wie es nur Menschen können, die wissen, dass Humor manchmal der beste Notfallplan ist.

Wenn Scham heimlich mitläuft

„Aber mal ehrlich“, sagte Katrin und wischte sich eine Lachträne ab, „manchmal wünsch ich mir schon, ich könnte einfach normal sein. Nicht ständig müde, nicht ständig erklären müssen, warum ich beim Einkaufen aussehe, als hätt ich ’nen Marathon hinter mir.“

„Oder warum ich Hilfe brauche, wenn’s Treppen gibt“, ergänzte Svenja. „Ich schwör, ich hab schon komplette Fluchtstrategien im Kopf, wenn kein Aufzug da ist. Nur um bloß nicht um Hilfe zu bitten.“

Tom nickte. „Oder diese Blicke, wenn man mal stolpert. Ich will dann immer rufen: ‚Alles gut, Leute! Kein Gin, nur Nervenkram!‘“

 Scham gehört nicht zu dir – sie gehört zur Krankheit.

„Wisst ihr, was ich neulich gelesen hab?“ fragte Svenja und verschränkte die Arme. „Scham gehört nicht zu dir – sie gehört zur Krankheit.“

„Das klingt fast zu weise für uns“, grinste Tom.

„Mag sein“, sagte sie, „aber es stimmt. Die Scham kommt doch nur, weil andere’s nicht verstehen. Weil wir uns anpassen, statt ehrlich zu sein.“

Katrin nickte. „Ja, genau. Wir schämen uns, wenn der Körper streikt, statt stolz zu sein, dass wir trotzdem noch lachen können. Ich mein – hallo? Wir sind wandelnde Wundertüten voller Symptome und trotzdem am Start!“

 Zeit für Schamsonntag

Tom sprang auf (na gut, halbwegs). „Ich hab ’ne Idee: Wir führen ab jetzt Schamsonntag ein!“

„Scham… was?“ fragte Svenja lachend.

„Jeden Sonntag erzählen wir was richtig Peinliches über unsere MS-Erlebnisse. Öffentlich. Auf Insta oder im Chat. Und am Ende sagen wir: ‘Scham gehört nicht zu mir. Sie darf wieder gehen.‘“

Katrin grinste. „Deal! Ich fang an: Letztens hab ich vor Erschöpfung auf dem Supermarktparkplatz im Auto ein Nickerchen gemacht – mit offenem Fenster. Die Kassiererin dachte, ich wär ohnmächtig. Ich sag nur: Notarzt, zwei Sanitäter und ich mittendrin, hellwach. Gratis Drama.“

Svenja klatschte. „Großartig! Ich hab mich mal beim Arzt auf die falsche Liege gesetzt – und der meinte nur: ‚Ähm, das ist der Ultraschall vom Hund.‘“

Tom wischte sich die Tränen. „Ich liebe euch! Ehrlich. Wenn Scham so aussieht, bleib ich dabei.“

 Fazit: Laut statt leise

Am Ende saßen sie da, leicht erschöpft, aber mit Bauchmuskelkater vom Lachen.

Katrin seufzte glücklich. „Weißt du, ich glaub, Scham verliert ihren Schrecken, wenn man ihr in die Augen schaut – oder sie einfach auslacht.“

Tom nickte. „Und wenn man sie teilt, wird sie kleiner. So wie meine Hemmung, im Café mit dem Strohhalm zu trinken. Jetzt mach ich’s einfach – mit Glitzerstrohhalm. Soll doch jeder gucken.“

Svenja grinste. „Schamlos stark. Das wär doch mal ein Motto.“

Und so wurde es ihr Motto.

Mit Krücken, Fatigue, Blasenproblemen oder Taubheitsgefühlen – und mit Humor, der ansteckender war als jedes Vorurteil.

Scham gehört nicht zu dir – sie gehört zur Krankheit.

Also lach, erzähl, teil.

Und nimm jemand anderem ein Stück davon ab.

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